Nachruf auf Wolfgang Somary, Beirat und Ehrenmitglied

                                                               Wolfgang Somary 

zu ehrendem Gedenken 

 

Wolfgang Somary hat überraschend den irdischen Plan verlassen, der gütige Freund, der weise alte Mann, der nun eine große Lücke in unseren Herzen hinterlässt. In zweifacher Hinsicht war Wolfgang Somary ein Venus-Mensch: einerseits auf jener Ebene, auf der die Venus den Wert des Geldes bezeichnet, andererseits dort, wo Venus für Kunst und Kultur steht. Gleichermaßen erfolgreich als Privatbankier und als Autor vielfach ausgezeichneter Lyrik hat Wolfgang Somary von Anfang an die Arbeit von Beatrice Ganz und der „Astrologischen Gesellschaft“ begleitet und unterstützt. Seine freien Gesprächsabende im Programm der „Astrologischen Gesellschaft“ zu zeitgeistigen Themen und deren astrologischer Reflexion waren legendär, weil er niemals Mitgefühl und Menschlichkeit außer Acht ließ – friedfertig, human, herzlich. 

 

Noch am 12. November hatte Wolfgang Somary an der Eröffnung einer Ausstellung mit Bildern von Beatrice Ganz teilgenommen, trug zu einzelnen Bildern brillant und prägnant Gedichte vor. Lächelnd verabschiedete er sich bald wieder „nach Hause“. Nun ist er am 15. November 2017 beim Sonnenaufgang im 86. Lebensjahr heimgegangen.

 

In tiefer Trauer und mit stillen Grüssen

 

Astrologische Gesellschaft Zürich

Beatrice Ganz & Christoph Schubert-Weller


Nachrauf auf Wolfgang Somary im DAV-Newsletter vom 16. Januar 2018

Am 15. November hat die Astrologische Gesellschaft Zürich ihr Ehren- und Beiratsmitglied Wolfgang Somary verloren. Im Alter von 86 Jahren hat er – Mitten im Skorpion – seinen Körper verlassen; durchaus unerwartet, denn drei Tage zuvor hat er auf einer Vernissage der Vereinsvorsitzenden Beatrice Ganz – an der auch der ehemalige DAV Vorsitzende Christoph Schubert-Welle sowie der amtierende Klemens Ludwig teilnahmen – noch einfühlsame Gedichte vorgetragen.

Wolfgang Somary war in vielen Welten zuhause: In der Welt des Materiellen als erfolgreicher Privatbankier; in der Welt der Kunst als Verfasser eindrucksvoller Lyrik; und in der Welt der Astrologie. Wie ein roter Faden zog sich seine Herzlichkeit und Menschlichkeit durch diese außergewöhnliche Vielfalt. Seine unverwechselbar-eindringliche Stimme, mit der er seine Texte und Referate vortrug, werden alle vermissen, die die Möglichkeiten hatten, ihm zuzuhören.


VJ-Interveiw mit Wolfgang Somary; Astrologie - uralt und ewig umstritten

Imagefilm der Astrologischen Gesellschaft Zürich

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Aufgenommen an der Astrologischen Weihnachtsfeier 2015
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"Ein neues Jahr hat angefangen", anlässlich des Geburtstagsfestes von Beatrice & Hansruedi Ganz Zulauf am 28. Mai 2016
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Astrologische Vorträge und Diskussionsabende mit Wolfgang Somary – Erinnerungen an die Zeiten von Sokrates, Platon und Archimedes 

 

Zu den Zeiten von Sokrates, Platon und Archimedes gab es Schulen, in den Lernen, freies Denken und freies Debattieren in einem kleinen, überschaubaren Rahmen unter Menschen stattfanden, die sich zuhören und gegenseitig bereichern wollten. 

Die Astrologische Gesellschaft Zürich lässt solche Zeiten dank der Organisation von Beatrice Ganz regelmässig aufleben. Dies besonders an den ein bis zweimal jährlich stattfindenden offenen Diskussionsabenden „Astrologie – was wir schon längst mal diskutieren wollten“ unter der Führung von Wolfgang Somary. 

Es sind richtige Sternstunden, wo sich philosophische, aber auch durchaus lebenspraktische Diskussionen in Verbindung mit der Astrologie in einem offenen Kreis von spannenden Personen ergeben, in dem es weniger um das Richtig oder Falsch, vielmehr um These bzw. Antithese und möglicher Synthese geht. Wolfgang Somary, mit seiner Weisheit und Gelassenheit moderiert diese hoch interessanten Abende, nach denen die Teilnehmer erfüllt nach Hause gehen. 

Im Uebrigen ergeben sich spannende Diskussionen auch an den anderen Anlässen der Astrologischen Gesellschaft Zürich, seien es Vorträge, Seminare oder auch Feiern, wie der Tag der Astrologie oder die Astrologische Weihnachtsfeier der Astrologischen Gesellschaft Zürich. 

Die Mitglieder und Besucher der Astrologischen Gesellschaft zeichnen sich durch einen weiten, offenen Horizont aus, verbunden mit dem Willen und der Fähigkeit, eigenes Wissen und eigene Kenntnisse zu reflektieren und zu erweitern, weit über die Astrologie hinaus. So wundert es nicht, dass auch Pfarrer, Naturwissenschaftler und Musiker zu diesem von Beatrice Ganz praktisch im Alleingang organisierten Kreis gehören. 

Ihr und ihrem grossen, langjährigen Engagement gilt mein Dank und ich freue mich jetzt schon auf die kommenden Anlässe 

Christoph Meyer, Zürich 


Die Kosmologie des Geldes von Wolfgang Somary, Novalis Verlag
Die Kosmologie des Geldes von Wolfgang Somary, Novalis Verlag

Kurze Höhrprobe; Die Kosmologie des Geldes

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Es ist uns eine grosse Ehre, bei dieser Gelegenheit auf das jüngst im Verlag Neue Zürcher Zeitung erschienene Buch "Erinnerungen aus meinem Leben" von FELIX SOMARY aufmerksam zu machen. Felix Somary war der Vater von Wolfgang Somary, der in der Astrologischen Gesellschaft Zürich Ehrenmitglied ist und als Beirat amtiert.

 

Carl Jacob Burckhardt erklärte zur Person von Felix Somary: "Alle Voraussagen, die ich ihn machen hörte, sind eingetroffen." Und Tobias Straumann schreibt in seinem Vorwort: „…Wenn alle Bankiers so gut schreiben könnten, wie er, wäre die Schweiz längst ein Literatur-Paradies. Somarys Memoiren bieten aber weit mehr. Sie schildern das Leben eines ausserordentlichen Menschen in einer ausserordentlichen Zeit auf eine so bewegende Art und Weise, dass man die Welt danach mit anderen Augen betrachtet. Somary besass die seltene
Gabe, die grossen Katastrophen seiner Zeit frühzeitig zu erkennen und
verfügte über den nötigen Einfluss, um in den Kreisen der hohen
Politik gehört zu werden. Wenn man das Buch weglegt, fühlt man sich,
wie wenn man nach einem hinreissenden Film das Kino verlässt: Man ist
noch leicht benommen, nimmt aber die Umgebung viel intensiver wahr..." 

Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen dieser faszinierenden Literatur.
Beatrice Ganz

Hermetische Engel im Alltag, Vortrag vom 19. September 2013

Zeitqualität von Träumen, Vortrag vom 21. März 2013

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Qualität der Zeit —Wolfgang Somary

Geld ist kein System, sondern eine organische Entstehung. Und Zinsen sind die Kosten wenn man borgt und eine Entschädigung für Konsumverzicht wenn man ausleiht. Die Zinsen liegen heute weit unter der Inflationsrate und die Pensionskassen müssen mehr ausschütten als sie einnehmen. Wenn sämtliche Regierungen gleichzeitig die Verzinsung ihrer Schulden einstellen, was einer Konkurserklärung gleich kommt, wäre die Frage, woher der Staat das
Geld für die Deckung des laufenden Budgets und für die Zahlung der Renten nimmt, noch nicht gelöst. Die Fürsprecher für Freigeld berufen sich auf Silvio Gesell, der während der letzten Weltwirtschaftskrise zeigte, wie man in einer kleinen österreichischen Stadt von 3'600 Einwohnern mit Zinslosem Geld, dessen Geltung man jährlich, mittels einer Stempelsteuer von 2% verlängern musste, die Wirtschaft ankurbeln kann. Was auf einer kleinen Ebene gelingt, ist global kaum durchsetzbar.

 

Zürich, im Oktober 2012

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Träume und Zeitqualität — Wolfgang Somary 

Träume lügen nicht; daher gewähren sie uns manchmal Einblick von hinter dem Vorhang des grossen Welttheaters. Allerdings nur wenn man sich die Gewohnheit aneignet, alle Träume aufzuschreiben. Das wiederum setzt voraus, man betrachte sie, wie der Arzt Hippokrates, als Botschaft der Götter, und daher Schlüssel zur Diagnose, und nicht bloss als Mistkübel der Irrationalität. Oder man erkennt in ihnen die andere Dimension der vermeintlichen Wirklichkeit, wie der nigerianische Jüngling in Ben Okri’s Romanen, der seine Menschen abwechslungsweise in ihren bodenständigen sowohl wie in ihren surrealistischen Verhaltensweisen wahrnimmt. (Es handelt sich hier um The Famished Road, und dessen Fortsetzung, Songs of Enchantment.)

 

Jeder träumt; die Erinnerung reicht aber selten länger zurück als 20 Minuten vor dem Erwachen, dann allerdings nur wenn man mindestens drei Tage hinter einander achtsam einsammelt und aufschreibt. Ansonsten, sagen viele, sie träumen nicht.

 

Es gibt den prophetischen Traum, der einen Blick in die Zukunft gewährt, den Wahrtraum, der eine erweiterte Wahrnehmung oder Sicht der Dinge verleiht, den Gemeinschaftstraum, der vom wir, und nicht vom ich ausgeht, den alchemischen Traum, der eine Wandlung ermöglicht, und den Traum von der Begegnung mit Verstorbenen, wie von Homer, Virgil und Dante geschildert. Oft überschneiden sich diese Kategorien. Es kommt oft vor, dass man im Traum eine Sekunde Ewigkeit erlebt. Diese Erfahrungen im allgegenwärtigen Jetzt sind manchmal hilfreich und machen es lohnend, Träume zu verfolgen.

 

Man kann eine Übereinstimmung beobachten zwischen dem Inhalt eines Traumes und dem Horoskop des Träumers. Auf die Frage: wie kommt der Träumer zu seiner Schau, kann erwidert werden: durch die dynamische Qualität seiner Lebensuhr. Es wird ein Schatz an vertrauten Metaphern und Symbolen vorausgesetzt, sagen wir eine kulturelle Rahmenbedingung, sowie eine gesteigert Empfänglichkeit. Anders ausgedrückt: er kann angesprochen werden, dort wo er seelisch beheimatet ist, und dann insofern seine Antenne in Bereitschaft steht. Man beachte die Synastrie vom Radix des Träumers mit der Zeit seines Traumes, sowie deren Schnittpunkt-Horoskop, (Komposit) und auch allfällige Verbindungen mit den Horoskopen anderer Menschen.

 

Ich sage dies, weil ich astrologisch denke; ein Theologe würde von einem Augenblick der Gnade oder der Verführung sprechen, ein Neurologe feststellen, welcher Teil des Hirns aktiviert wird, ein Jungianer den mythologischen Kontext suchen, Freudianer eine infantile Regression identifizieren, Positivisten auf Halluzinationen oder Hysterie hinweisen. Ein Schamane (“primitiver” Naturheiler) würde sagen: da die Wirklichkeit von mehreren Milliarden bodenständiger Menschen aus dem nicht kontrollierbaren, nicht verwaltbaren Unbewussten kommt, sei die Realität in den Träumen zu finden. Das wissen die alten Ureinwohner Australiens, und deshalb ist Träumen deren wichtigste Beschäftigung, und auch der Grund ihrer Ausrottung.

 

Ausgehend von einer Übereinstimmungen zwischen Makro- und Mikrokosmos, zwischen Universum und Mensch, sind Träume Wegweiser, die, in Sekundenschnelle   erfasst werden können. In einer Zeit, in der die Lebensuhr immer schneller zu laufen scheint, mag es sinnvoll sein, auf Träume zu achten, da sie eine andere Zeitdimension einnehmen. Wer mit der progressiven Beschleunigung seines Alltags nicht immer zurecht kommt, findet im Bereich der Träume eine Dichte des Erlebens, wie sie im wachen Zustand seltener vorkommt.


Hermetische Engel im Alltag

Was ist ein Engel? Ein Agent des Atemgebers, der in dessen Namen handelt, bewusst oder unbewusst. Engel kann auch als Verbum, statt als Substantiv verstanden werden — Engel als Tat, nicht nur als Wesen, und somit für uns eine Herausforderung. Wieso ist er hermetisch? Weil er die merkurische Seite widerspiegelt, die uns allen angeboren ist. Jedes Wesen hat seinen Merkur (griechisch: Hermes). Unter den vielen Eigenschaften die ihm mythologisch zugeschrieben sind, ist die Wandlungsfähigkeit. Chemisch wirkt er als Katalysator, der aus zwei Substanzen die Herstellung einer dritten ermöglicht. Hier wird weder nach Glauben verlangt noch ein Geheimnis gelüftet, denn die agierende Funktion des Engels hat Jedermann zu einer gegebenen Zeit, die nicht er bestimmt, sondern ihm zufällt. Ziel dieses Abends ist, unter
Beihilfe der Dichter Homer, Dante und Rilke, die engelhaften Metaphern des Alltags in Erinnerung zu rufen.

 

Auf einer antiken griechischen Vase werden Persephone und Dionysus von Hermes in die Unterwelt geführt. Er weist ihnen den Weg, und bewahrt zugleich jene vor Verzicht und Depression und diesen vor dem psychischen Zusammenbruch. Wäre die schöne Vase, die ich Ihnen vorstellen werde, nicht ein Leitmotiv für alltägliche Menschen, die einen Trübsal Blasenden durch seine Seelennacht geleiten?

Wolfgang Somary, 22. August 2013

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Qualität der Zeit — Wolfgang Somary

Drei Merkmale unserer Zeit finde ich beachtenswert: Je erfolgloser ein Staatsmann, desto heftiger streiten die Menschen über seine Eigenschaften. Die erfolgreichen Staatsmänner wurden gut gehasst aber respektiert. Die anderen unterliegen dem Popularitätswettbewerb, der von Meinungsmachern gesteuert wird. In den Worten von Arno Gruen, “spielen wir vielerlei Rollen, die dazu dienen, Systeme der Imagepflege zu stützen, die ihrerseits auf Macht basieren”. Auch “statten wir solche Führer mit nicht existenten Qualitäten aus, weil ihre Verachtung uns befreit”, (siehe Verrat am Selbst, bei dtv München, 1985). Wovon befreit sie uns? Von der eigenen Verantwortung, sich selbst zu verwirklichen, wäre seine Antwort.

 

Je grösser die Korruption, desto gleichgültiger reagieren die Menschen. Der Vize-Präsident Nixons musste demissionieren, weil er von der Molkerei Gewerkschaft ein Trinkgeld in der Höhe von 10,000 Dollar angenommen hatte. Der Vize-Präsident von Bush blieb im Amt, obwohl seine Gesellschaft einen Auftrag für die Ölförderung im Irak in der Höhe von 2,8 Milliarden Dollar als Kriegsbeute erhielt. Und nun beim Selbstbediener Grasso, dem ehemaligen Präsidenten der New Yorker Börse, der für seine Dienste 148 Millionen Dollar bezog, sagten sogar die Kritiker: er handelte legal, wenn auch nicht legitim.

 

Je rascher neuer Zeitgeist eine alte Lehre durchdringt, desto eifriger verteidigen die Schriftgelehrten deren Buchstaben, auf Kosten des Sinnes. Keine Orthodoxie wird zugeben, dass sowohl die Zeit, wie auchder Ort, wie auch der kulturelle Kontext die Auslegung und die Wandlung einer Lehre mitbestimmen. Prinzipientreue wird zur Versteinerung, die von Menschen, die sich vorm Strom fürchten, als Stärke befunden und bewundert wird.

 

Oft ist von Bewusstseinserweiterung die Rede. Sie findet wohl statt, aber wer zur Macht strebt oder daran klebt, leidet meistens unter Todesangst und hindert den Werdegang. Die Angst vor Veränderungen, die man selber nicht steuern kann, auch die Angst vor der Beschleunigung nichtnur von technologischen Errungenschaften sondern auch vom Aufkommen neuer Einsichten, schürt den Herdeninstinkt mit seinem Ruf nach dem Leithammel.

 

Wenn der Glaube an die bestehenden Machtstrukturen nicht mehr aufrechterhalten werden kann, schreibt Arno Gruen, dann müssen (abhängige) Menschen eine neue Unterwerfung suchen, und tun dies im Namen der Freiheit (siehe Verratene Liebe — Falsche Götter, bei Klett- Cotta, Stuttart 2003). Bestehende Machtstrukturen sind nicht ewig aufrecht zu halten. Die Denker Indiens haben das schon immer begriffen, aber die "monotheistischen" Kinder Abrahams — Juden, Christen und Muslime — haben ihre liebe Mühe mit dieser Erkenntnis.

 

Mit Pluto in den Steinbock, bröckeln die Institutionen, wie einst die katholische Kirche, als vormals einigende Kraft, beim Ausbruch der Reformation, und im jetzigen Zyklus diverse Regierungen. Genau am Tag vom Eintritt Plutos in den Steinbock kam es zu einem Aufstand der Studenten in ganz Griechenland. Episode oder Vorbote?

 

Was kommt an der Stelle eingefleischter Strukturen? Das Bestehende hat immer als unabänderlich gegolten. Imagination läuft der Kristallisierung voraus. Solange sich Uranus in den Fischen befand, das heisst während des zeitlichen Abschnitts 2004-11, konnten Orthodoxe und Gnostiker, Kapitalisten und Sozialisten, Naturwissenschaftler und Erfahrungswissende, pragmatische Materialisten und vergeistigte Poeten einander die Hand reichen. Jetzt, wo Uranus sich im feurigen Wider befindet (dazu im Quadrat zu Pluto im Steinbock), werden die Menschen gewalttätiger. Diese sieben Jahre muss man nützen, um in den Worten von Paulus, “den alten Menschen abzustreifen und den Christus anzuziehen”. Das hat wenig mit alten Konfessionen und mit dem Spiel von “wir und die anderen” sondern mit Selbsterkenntnis zu tun.

 

Die Tanzgruppe Evidence, aus New York, unter der Leitung des Choreographen Ronald K. Brown, trat vor zehn Jahren auf mit dem Tanz Come Ye (Kommet Alle), zur Musik von Nina Simone, die zum Ausdruck bringen wollte, wie man miteinander wirkt und werkt und dabei, sich gegenseitig erhöhend, zur Blüte entfaltet. Damals las ich einen Bericht über mobbing (Erniedrigung von Untergeordneten durch Schikanen und Ausgrenzung) in Deutschland, wo die Gewerkschaften schätzen, es seien an der vorjährigen Produktion etwa 25 Milliarden Euros durch mobbing verloren gegangen, vor Berücksichtigung der Gesundheitsschäden. Interessanterweise wurde der Tanz Come Ye ausgerechnet beim Eintritt von Uranus in den Fischen lanciert, was mit religiöser Vertiefung, bei gleichzeitig verstärkter Schaffenskraft (Konjunktion mit Mars) zusammen hing. Und simultan wurde derMachtmissbrauch des kleinen Mannes gemessen, beziffert und gerügt.

 

Der Gedanke, wir stehen vor einer religiösen Erneuerung, ist verlockend. In Wirklichkeit huldigen wir noch falsche Götter: das sind Marken, Markenprodukte, die Identität schaffen. Die Mythen schwinden, die Bilderstürmer, mitunter Historiker und Theologen, sind hier eifrig am Werk; Mythen wurden durch Marken ersetzt, für die der Konsument einen guten Prozentsatz des Kaufpreises erlegt. Wer keine Geschichte hat, braucht Marken, damit er weiss, wo er hingehört. Viele haben durch Kriege, Vertreibung, Exil und Auswanderung ihre Geschichte verloren, andere lernen, sich davon zu schämen. Da kommt die neutrale Marke zur Hilfe: der Grundstoff und seine Verarbeitung kosten weniger als der Name; aber Name muss sein, denn viele brauchen ihn als Sicherheit oder für den Selbstwert. Man schmunzelt heute mitleidig über Wilhelm Tell und dem heiligen Bruder Klaus von der Flüe, nicht aber über Nike und Benetton.

 

Lange her wurde ein Mann gefragt, wer er sei, und antwortete: “Ich bin ein Hebräer und fürchte Gott”. Stand ich einmal mit meinem Vater in einer irischen Hafenstadt, schutzsuchend vom Regen unter einem Dach, näherte sich ein Alter mit den Worten: “Wir Iren sind glückliche Menschen: wir haben den Glauben”. Würde man heute sagen: wir haben Marken? Wir dürfen nicht urteilen, da wir nicht einmal die Zeit vom eigenen Lebensabschnitt überschauen, sondern nur fragen, wer am besten nach den Worten von Paulus lebt, wo es heisst: “…und wenn ich allen Glauben habe, so dass ich Berge versetze, aber nicht Liebe habe, so bin ich nichts”.

 

Kommen wir aber zurück zu den Machtstrukturen, die am bröckeln sind, was viele befürchten aber nicht wahrnehmen wollen. Man kann sich zum Beispiel kein Gesundheitssystem mehr leisten, das Symptome behandelt statt Ursachen behebt, noch ein Bildungssystem, das versäumt, selbständiges Denken und Verhalten, die Gabe mit Konflikten umzugehen und handwerkliche Fähigkeiten zu fördern, noch eine Altersfürsorge, die die Alternden nicht herausfordert aktiv zu bleiben.

 

Die entsprechenden Institutionen sind schon jetzt im Wandel. Unsere erfinderische Veranlagung ist nicht zu unterschätzen.

 

Wie steht es aber im sozialen Bereich? Solange Uranus die Fische durchlief, war Neptun im Wassermann. Dort wurde das, was wir in neulich idealisierten, nämlich Hightech, digitale Allgegenwart, kreative Buchhaltung, neue Strukturen globaler Gemeinschaft in Frage gestellt.

 

Diese Dinge werden dem Zeichen des Wassermanns zugeordnet. Werfen wir einen Blick zurück auf die Zeichenbesetzung der Planeten Neptun und Pluto, dieser beiden Langläufer, zu Lebzeiten der Zeitgenossen.

 

Mit Neptun im Krebs (1901-15), kam die Idealisierung des Vaterlandes und die Bereitschaft, sich dafür zu opfern. Mit Pluto im Krebs (1913-38) wurde die Basis für Familie, Heim und Heimat vernichtet. Mit Neptun im Löwe (1915-29), wurden Königreiche aufgelöst. Als Pluto im Löwe war (1938-57), wurde Jedermann König und die Kolonialreiche zerfielen. Mit Neptun in der Jungfrau (1929-43), schwanden Arbeitsstellen und finanzielle Sicherheiten. Als Pluto in der Jungfrau war (1957-71), kam die Entmythologisierung des Glaubens (Opposition zu den Fischen) und zugleich des Geldes (es war Anfang vom Ende der Ökonomie). Mit Neptun in der Waage (1943-56), kam es zur Idealisierung der Zweisamkeit und dabei zur Auflösungen von festen Beziehungen. Als Pluto in der Waage war (1971-83), wurde die Ehescheidung zur Norm, die Ehe zum Provisorium, die vaterlose Mutterschaft salonfähig. Mit Neptun im Skorpion (1956-70) kam es zur Idealisierung von erotischer Ekstase und Drogenrausch. Als Pluto im Skorpion war (1984-95), kam der Zusammenbruch des Immunsystems. Mit Neptun im Schützen (1970-84), kam die Synkretisierung von überlieferten Weltanschauungen und Philosophien. Mit Pluto im Schützen (1995-2009), wurde jede Lehre hinterfragt und hinfällig. Mit Neptun im Steinbock (1984-98) lösten sich der sowjetische Kommunismus und das Russische Imperium auf. (André Barbault bezeichnete die Kombination Saturn/Neptun als Merkmal vom sowjetischen Kommunismus.) Mit Neptun im Wassermann, zerfiel die grösste Spekulationsblase aller Zeiten; zugleich wurden die Werte der uranisch geprägten Neuen Welt (Nordamerika) gefährdet. Der oft kolportierte Wunschtraum vom Wassermann-Zeitalter lässt mit distanzierter Kälte grüssen. Kalifornien, Wiege der New Age Bewegung, ist Zahlungsunfähig.

 

Dieser summarische Kommentar ist weder umfassend noch so negativ wie er klingt. Neptun fegt nicht nur Illusionen hinweg, sondern vergeistigt. Pluto vernichtet nur, um auf den Trümmern Neues entstehen zu lassen. Uranus, wie Prometheus, geht voran und zeigt, wo Impulse zu erwarten sind. Da Uranus und Neptun nun sieben Jahre lang ihre Würden austauschten, ungefähr solange wie sich Pluto im Schützen aufhielt, und da nun seit 1993 die drei langlaufenden Planeten in der Reihenfolge ihrer Geschwindigkeit sich fortbewegen, was man als einen neuen Atemzug der Geschichte betrachten kann, darf man davon ausgehen, dass wir uns momentan in einer Zeitqualität befinden, die einer geistigen Vertiefung und Erneuerung sehr förderlich ist. Allerdings wird davon erst dann Kenntnis genommen, wenn Saturn wieder ab 2020 diesem Zyklus bevorsteht. Beachten wir folgende Feststellung von André Barbault: Wenn die Summe der Längengrade von Saturn, Uranus,Neptun und Pluto von der Erde aus gesehen ihr Mindestmass erreichen, beginnt eine neue Zivilisation. Diesen Punkt haben wir um 1993 überschritten.

 

Wolfgang Somary, geschrieben 17.10.2003 für Novalis — Zeitschrift für Geisteswissenschaften 


Birnbaum - Gedicht von Wolfgang Somary

Birne hängt vollreif am Baum: Schale rötelt, Säfte fliessen - soll ich stehlen und geniessen? Neptun stöhnt: oh weh! oh waya! - das ist alles Illusion, Hirngespingst und Obsession, was Buddhisten nennen Maya: bestenfalls darfst du sie knipsen. Merkur aber zierlich klein, bringt die pralle Frucht zum scheinen, flüsternd: kannst sie jetzt stibitzen, speise sie und lass sie munden. Venus wollt' sie längstens essen aber Saturn möcht' sie messen, schön verzichten doch beschreiben aber niemals einverleiben.

Uran will den Birnbaum schütteln - stösst den Aste in Bewegung, basta mit der Überlegung, aber Jupiter ruft: Halt, lass die Birne Säfte sammeln und dir sanft ins Schosse fallen. Doch dem Neptun wird es kalt - braucht ja Nahrung zum Verdauen, saugen, laugen, wiederkauen.

Mars nun bringt sein Taschenmesser, schnappt die Birne beisst hinein während Sonne strahlt und Pluto schürt des Baumbesitzers Wut, o - sieht in toben, hört ihn schelten, den Gestohlenen, den Geprellten bis auf Hochgallop im Kreise Chiron, Pholus. Nessus eilen, ihn vom Birnenschwund zu heilen; und nun schmatzt ganz ungeniert wen Lilith in Versuchung führt.


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